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Gedicht von Frau Derksen
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Elisabeth Derksen, Jahrgang 1916
Vom Herbst und dem Frühling
Der dunkle Herbst uns stets erinnert an Welken und Vergänglichkeit.
Auch unser Menschenleben schwindet – mit raschem Schritt – zur Ewigkeit!
Wie ist so schnell die Zeit verflossen, wo ich noch jung! Man glaubt es kaum!
Jetzt stehe ich, wie vom Sturm entblättert, ein dürrer, kahler, alter Baum.
Doch: „Ich will tragen bis ins Alter und bis schon grau geworden ihr;
Will heben, tragen und erretten“, Jesaja 64,4
Und noch: „Ich will dich nicht verlassen, noch von dir weichen“, spricht der HERR.
So wird auch ferner ER begleiten – wie ER geführt UNS hat bisher!
Und heut: Ein herzlich Dank der Jugend, die vorbereitet diesen Tag,
um Jung und Alt hier zu versammelt. Der Herr uns reichlich segnen mag!
Uns hier gemeinsam zu erbauen, auch voreinander lernen hier;
Und wir uns an die Zeit erinnern, wo jung, wie ihr jetzt, waren wir.
Ja, einst, vor 70 langen Jahren, war damals ich auch 18 Jahr!
Und so, wie mancher von euch heute, auch in Berufsausbildung war! -
Doch Glaubensfreiheit – nicht wie heute, Geschlossen war das Gotteshaus -
Jedoch vorher – was wir durchlebten! In jener Zeit – voll Angst und Graus.
Erst Hungerjahre 22 (1921/22), und Völkerkampf – mit „Rot“ und „Weiß“,
und noch so manche andere Banden – das Volk gequält, warum?! Wer weiß?!
Dann gab`s Verhaftung – massenhafte! Wo unsere Väter mussten fort,
die Männer, Brüder – als „Volksfeinde (1937/38), sie starben an dem fremden Ort!
Viel Krankheit gab`s; Krieg und Verbannung, die brachte Elend viel – und Leid;
Ich auch die Trudarmee durchlebte bei Hunger, schwerer Waldarbeit.
Und unsere Jugend, fast noch Kinder, gar manche 13-14 Jahr -
Hinweggeschleppt aus ihrer Heimat, ihr Los dort Hungertod meist war.
So lebten wir die jungen Jahre, im Elend, an der Arbeitsfront.
Von Hunger war auch ich geschwollen! Gar mancher nicht mehr weiter konnt´.
Das ist – Gott sei`s gedankt – vorüber! Und heute – dieser Gnadentag,
wo wir zusammen hier verweilen. Für alles Gott Lob, Preis und Dank!
Drum, liebe Jugend, nutzet dankbar die Euch vom Herrn geschenkte Zeit,
dass, wenn Ihr später Rückschau haltet, Ihr es im Alter nicht bereut!
Ihr seid noch heute jung von Jahren, habt Aufgaben, bald hier, bald dort;
Gott schenke euch von oben Weisheit, zu handeln stets nach Seinem Wort.
Trotz Schwierigkeiten, Kampf;Versuchung – die Satan in den Weg euch legt,
gar listig stellt er seine Fallen, zu locken euch vom Heiland weg.
Doch: Wacht und betet! Helft einander, wenn`s heißt, auf Dornenpfaden gehen;
Denn nur bei Jesus, unterm Kreuze, könnt Ihr den Glaubenskampf bestehn!
Gar manche Aufgaben und Arbeit verrichtet Ihr im Dienst das Herrn.
Besucht Einsame, aufzumuntern – mit Gottes Wort, Gesang sie gern.
Ihr habt gemeinsam auch viel Schönes: Mal Ausflug über Berg und Tal,
Besuch in anderen Gemeinden, genießt das Gute überall!!
Gott segne im Beruf, auf Arbeit, im Dienst, den Ihr für Ihn getan,
um stets den rechten Weg zu gehen, mit Gott – bis hin nach Kanaan!
Und nochmals Dankeschön der Jugend für diesen Tag, so segensreich!
Für Eure Arbeit, Liebe, Mühe. Der Herr belohn es reichlich Euch!
2004
Zum Volkstrauertag von Johann Friesen
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Johann Friesen, geboren am 17.06.1920
Zum Volkstrauertag
Am 17. Juni 2010 werde ich 90. Juni ist der Jahreshochpunkt. In diesem Monat wird die Sonne ihre Strahlen länger und kräftiger zu uns senden. In den Gärten wird es schon manches zu essen geben. Besonders die Kinder werden Freude an den ersten roten Beeren haben. So geht es uns auch, wenn wir das Wort Gottes lesen oder im Gottesdienst hören: Dann taut die Seele auf und schöpft neue Kraft für den weiteren Lebensweg.
In diesen langen, warmen Juninächten werden bei mir wieder Erinnerungen aufsteigen, wie es uns jungen russlanddeutschen Männern in den traurigen Tagen des Sommers 1941 ging. Vor kurzem erlebten wir wieder einen Krieg, diesmal in Irak. Wie viel Leiden, Schaden, Verwundete und Tote bringt solch ein schrecklicher Krieg. Es gibt Länder, die der Meinung sind, dass sie in einem beliebigen Land einen Krieg entfachen dürfen. So war es auch im heißen Sommer 1941, als Stalin und Hitler einen großen Krieg begannen. Wir sind nicht daran schuld, dass auch wir Russlanddeutsche, darunter viele Mennoniten, in der ersten Zeit des Krieges an den größten Schlachten teilnehmen mussten. Ich möchte nochmals unterstreichen, dass viele unserer Russlanddeutschen, die jetzt in Deutschland sind, nichts von dieser Schreckenszeit hören möchten. Da ich an diesem Krieg teilnahm, bin ich der festen Überzeugung, dass einst unsere Urururenkel wissen sollen, dass auch unsere Mennoniten an diesem Krieg teilnehmen mussten und dass Tausende und Tausende von ihnen fielen oder verwundet wurden. Und nun möchte ich etwas ausführlicher über diese Schreckenszeit berichten.
Ich wurde noch vor dem Krieg in die Armee einberufen. Zu der Zeit studierte ich Geschichte an der Universität. In unserem Regiment machten Russlanddeutsche ein Drittel aus. Sie mussten vom ersten Tage des Krieges an gegen die Faschisten kämpfen. Ich möchte nochmals betonen, dass wir nicht gegen das deutsche Volk kämpften, sondern gegen die SS-Faschisten. Anfang Juni wurde unsere Division an die Staatsgrenze verlegt. Wir erhielten schon Anfang Juni Erkennungsmarken mit Heimatadressen, Stahlhelme und neue Pistolen. Obwohl wir genau wussten und spürten, dass der Krieg bald beginnen würde, hörten wir eine Erklärung der sowjetischen Nachrichtenorganisation TASS, in der es hieß, dass es sich lediglich um Gerüchte handle. Am 21. Juni badeten wir unweit der Grenze sorglos in einem Flüsschen, wuschen darin unsere Kleider und schauten uns abends einen Film an. In aller Frühe riss mich ein Dröhnen aus dem Schlaf. „Manöver, wie angekündigt“, dachte ich, während ich auf die Uhr schaute. Der Zeiger stand auf 4.
Gegen sechs Uhr mussten wir antreten und erfuhren, dass soeben Kiew und andere Städte bombardiert worden waren und dass der Krieg begonnen hatte. Kurz darauf winkte der Regimentskommandeur Pschenitschny mich zu sich heran und sagte: „Nun, Friesen, wir werden zusammen kämpfen. Kannst du gut Deutsch?" Ich sagte, dass ich eine deutsche Oberschule beendet hatte. „Dann sollst du mich ständig begleiten“, befahl er. Und nun wurde uns in der Nacht zum Dienstag befohlen, einen feindlichen Fallschirmjägertrupp zu vernichten. In einem Maisfeld kam es zum erbitterten Nahkampf. Wir führten den Befehl aus.
Mein Großvater, Johann Friesen, war Lehrer und zugleich Prediger einer Mennoniten-gemeinde. 1929 wurde er verhaftet und im GULAG auf die Solowjezki-Inseln einkerkert. Dort kam er um. Drei Onkel von mir wurden 1937 verhaftet und erschossen. Der vierte Onkel war 18 Jahre im Gulag. Das gleiche Los wurde vor dem Krieg vielen sowjetischen Bürgern zuteil.
Trotzdem taten wir Russlanddeutsche für Russland alles, was wir tun konnten. Die Eltern hielten ihre Kinder dazu an. Ich war davon überzeugt, dass ich meine große Heimat, die Sowjetunion, und meine nähere Heimat, die deutschen Dörfer in der weiten Orenburger Steppe, verteidigen musste. Die Verluste der Roten Armee machten in den ersten sechs Kriegsmonaten fast fünf Millionen Mann aus. Wie konnte es dazu kommen? Ich sage es, wie ich es als einfacher Kriegsteilnehmer sah. Stalin hatte sich als Stratege gewaltige Blößen gegeben. Erbaute allzu sehr auf den im August 1939 mit Deutschland geschlossenen Nichtangriffspakt. Er schlug alle Warnungen in den Wind. Er wollte hören, was seinem Ohr genehm war. Auch das ist übrigens ein Merkmal des totalitären Systems. Die Sowjetarmee befand sich nicht in Kampfbereitschaft. Die besten Kommandeure wurden 1937/38 als „Volksfeinde" erschossen. Stalin und seine Helfershelfer hatten im Lande eine Atmosphäre geschaffen, die von Argwohn und Misstrauen geprägt war.
Ich kämpfte 392 Tage an der Front. Mehr als 250.000 Rotarmisten und Kommandeure deutscher Herkunft wurden aber bereits im Frühherbst 1941 ins Hinterland abgeschoben und kurz danach ins GULAG fortgeschafft. Und doch dienten in dem ersten Kriegszeitjahr Tausende von Russlanddeutschen in der Armee und stemmten sich der angreifenden Wehrmacht entgegen. Wie der russische Schriftsteller Sergej Smirnow in seinem Buch „Kämpfer bei Brest" schreibt, gehörten zur Brester Festung viele Russlanddeutsche. Die Russlanddeutschen kämpften gegen die Faschisten, ohne daran zu denken, dass sie Deutschen als Deutsche entgegentraten. Sie dachten nur daran, wie sie zusammen mit den Angehörigen anderer Völker den Angreifer am schnellsten zerschlagen und ihre Heimat am besten verteidigen konnten. Ich erinnere mich, wie meine Kameraden von einem russlanddeutschen Rotarmisten erzählten, der schwer verletzt in Gefangenschaft geriet und sich beim Verhör weigerte, etwas über unsere Truppen auszusagen. Er wurde zu Tode gefoltert. Die Faschisten hatten ihm mit einem Bajonett das Herz durchbohrt und einen Stern in den Rücken geschnitten. Dass Tausende und Tausende Sowjetdeutsche in den ersten Kriegsmonaten heldenhaft an der Front gekämpft hatten, wird von den Massenmedien immer noch verschwiegen.
Und was war der Dank für den selbstlosen Einsatz? Das Abschieben ins Gulag! Was konnte man dabei schon empfinden? Natürlich Bitterkeit, nur Bitterkeit! Dem Erlass von 07.10.1942 nach, den Stalin unterschrieben hatte, gerieten russlanddeutsche Arbeiter, Bauern, Ingenieure, Lehrer, Gelehrte, gestrige Rotarmisten, Frauen, Jugendliche, ja, sogar Kinder hinter der Stacheldraht, wo die Hälfte der Russlanddeutschen umgebracht worden war.
Die Nachricht vom Sieg nahmen wir begeistert auf. Sie erfüllte uns mit Hoffnung. Nun wird man alles richtig stellen und uns danken, dachten wir. Wir jungen Männer sehnten uns nach unseren Mädchen, wollten als freie Menschen arbeiten, studieren, Familien gründen... Was jedoch folgte: noch viele, viele Jahre standen wir unter der NKWD-Kommandantur und hatten keine Rechte. Viele meiner Frontkameraden leben nicht mehr. An der Front fandeneinige meiner Jugendfreunde, mein Bruder Kornelius und viele, viele andere den Tod.
Offen frage ich mich, insbesondere in den Tagen wie der Deutsche Volkstrauertag „Warum mussten wir so viele Jahre schreckliche Sklavenarbeit unter der NKWD-Kommandantur leisten?" und „Warum haben das Misstrauen verdient?“ In Deutschland und Russland gibt es in jedem großen Staat eine Gedenkstätte bezüglich der Taten während des Krieges. Nur die Gedenkstätte zum Andenken an die russlanddeutschen Veteranen gibt es nicht.
An diesem Volkstrauertage möchte ich alle Deutschen bitten, die Treue zum Schwur den Russlanddeutschen nicht zur Last zu legen. Auch denjenigen nicht, besonders den russlanddeutschen Mennoniten aus der Ukraine, die gezwungen waren, in abgetragenen Uniformen und mit Hitlerflinten gegen Russland zu kämpfen. Niemand kann Russlanddeutsche ihres leidgeprüften Schicksals beschuldigen. Seid alle Gott befohlen!